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Zins und Tech-Börsenwerte

...und warum der Mittelstand beruhigt sein kann

von Simon Wilken

Die im Dezember 2021 angekündigten Zinserhöhungen der US-Notenbank Federal Reserve und die weiterhin hohe Inflationsrate hat Aktien auf Talkurs geschickt. Cloudflare verlor im Vergleich zum Höchstkurs im November 2021 knapp 50%, E-Commerce Unternehmen wie About You in den letzten 30 Tagen immerhin -20%. Doch warum werden Technologietitel von angekündigten Zinserhöhungen besonders hart getroffen? Und warum spiegelt sich die Wertentwicklung an den Börsen nur bedingt in M&A Transaktionen von mittelständischen Technologieunternehmen wider?

Ein Euro heute ist mehr wert als ein Euro in fünf Jahren

Viele institutionelle Investoren an Börsen bewerten die Unternehmen nach dem Discount Cashflow Verfahren (DCF). Hierbei werden die Cashflows der zukünftigen Perioden in der Unternehmensplanung mit einem Diskontierungssatz abgezinst. Um den Hintergrund hierzu zu erläutern wird in einem Beispiel einem Investor angeboten, dass er entweder eine Aktie oder eine Bundesanleihe kaufen kann. Wenn er sich für die Aktie entscheidet, besteht das Risiko, dass das Unternehmen in der Zukunft insolvent geht und der Wert der Aktie rapide sinkt. Hierfür erwartet er aber eine Kompensation in Höhe eines Zinses oder einer Rendite. Entscheidet er sich für eine Bundesanleihe, hat er ein nahezu risikoloses Investment, erhält aber auch kaum Zinsen (aktuell nahe 0%). Die Zinsen auf Staatsanleihen entsprechen also nahezu dem Leitzins der EZB. Der freie Cashflow einer riskanten Aktie in einigen Jahren ist weniger Wwert als der freie Cashflow, der heute ausgeschüttet werden könnte. Dies erscheint logisch: Kann man heute für 1,30 Euro noch eine Kugel Eis kaufen, ist sicher, dass mit dem selben Betrag in fünf Jahren keine ganze Kugel mehr kaufen kann. Zudem ist die Planung der Cashflows in fünf Jahren deutlich unsicherer als im nächsten Monat. Um den heutigen Gegenwert von zukünftigen Cashflows zu berechnen, müssen die Cashflows also abgezinst werden. Dabei werden noch weit entfernt liegende Rückflüsse der Zukunft weniger stark gewichtet als kurz bevorstehende Cashflows – da das Investment in die Aktie risikobehafteter ist als die Bundesanleihe und da ein Euro, den man heute erhält, mehr wert ist als ein Euro den man in fünf Jahren erhält.

Je höher der Zins, desto niedriger der Wert

Je höher der Abzinsungssatz, desto geringer ist der Einfluss von Rückflüssen in ferner Zukunft auf den heutigen Wert der Aktie. Der Abzinsungssatz wird über den WACC (Weighted Average Cost of Capital) ermittelt. Hierbei werden die Kosten, die das Unternehmen für Fremdkapital und Eigenkapital hat, eingerechnet. Wenn die Zentralbanken die Leitzinsen erhöhen, erhöhen Banken die Fremdkapitalzinsen. Aber auch die Eigenkapitalkosten steigen, da die Bundesanleihen im Verhältnis zu Aktien für Investoren interessanter werden und die Renditeerwartung an Aktien steigt, um das unternehmerische Risiko angemessen zu vergüten.

Aber warum verlieren bei einem steigenden Diskontierungssatz die Tech Werte schneller Wert an der Börse als old economy Titel?

Wenn Aktien den zukünftigen Wert eines Unternehmens wiederspiegeln, dann werden Technologieunternehmen für die Zukunft nach der Zukunft gehandelt. Während wertvolle Unternehmen wie dem HR-Software Anbieter Personio oder Uber aktuell noch Verluste verzeichnen, setzen die Investoren darauf, dass diese Firmen in ferner Zukunft übermäßige Gewinner der Digitalisierung sind und dann auch Überrenditen verzeichnen. Die abzinsbaren Cashflows werden also deutlich später erwartet als bei traditionellen Unternehmen. Daher hat eine Zinserhöhung einen deutlich stärkeren Einfluss auf Tech-Unternehmen.

Aber warum betrifft diese Änderung die Bewertung von mittelständischen Tech-Firmen so wenig?

Eigentlich könnte die Schlussfolgerung ja lauten: Wenn ähnliche öffentliche Unternehmen an Börsen Wert verlieren, müssen auch die Bewertungen von privat gehaltenen Unternehmen sinken. Jedoch zeigen die aktuellen Preisentwicklungen nur eine leichte Veränderung der Preise nach oben.

Jeder Investor in ein mittelständisches Unternehmen ermittelt den Wert mit einem anderen Verfahren. Häufig werden von strategischen Investoren Multiplikatoren auf Umsatz oder EBIT herangezogen. Finanzinvestoren bewerten Unternehmen oft nach der möglichen Kapitaldienstfähigkeit und dem erwarteten Wiederverkaufserlös. Das an Börsen noch sehr häufig genutzte Discount Cashflow Verfahren wird bei KMU Bewertungen immer seltener angewandt. An KMU Transaktionen beobachtete Multiples hängen zeitlich einem tagesaktuellen Kurs an Börsen hinterher und spiegeln daher volkswirtschaftliche Effekte wie eine Zinserhöhung nur verzögert wider. Gleichzeitig spielen bei KMU Bewertungen softe Faktoren eine größere Rolle als bei börsennotierten Unternehmen. Eine hohe Abhängigkeit vom Gründer revidiert beispielsweise jeden Zinseffekt in der Bewertung. Durch die geringere Anzahl an Transaktionen bei privat gehaltenen Unternehmen sind weniger Referenzpreise bekannt – Vertraulichkeit zwischen den Vertragsparteien verschärfen diese Intransparenz noch weiter. Daher stehen weniger Datenpunkte zur Verfügung, die in ein Discount Cashflow Verfahren einfließen können.

Insgesamt sind mittelständische Softwareunternehmen von den aktuellen Zinsentwicklungen nur indirekt betroffen. Jedoch ist zu erwarten, dass die Zinsentwicklung in den nächsten Monaten ein stärkeres Argument in M&A Verhandlungen mit Investoren werden wird.

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