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Sitzen Startups bald auf dem Trockenen?

Weniger Investitionen in Startups.

von Lars Kiehne | 6 Minuten

An den Börsen ist sie schon seit Längerem sichtbar: Die sinkende Bereitschaft von Investoren, hohe Summen für spekulative Anlagen zu bezahlen.

Nun kann man die Auswirkungen auch bei Venture Capital Finanzierungen in Zahlen ablesen. Während das Funding europäischer Startups in 2021 seit März nie unter 7,4 Mrd. US-Dollar pro Monat lag, sind im August 2022 durch Finanzierungsrunden „nur“ noch 3,2 Mrd.$ in Startups geflossen. Dieser Einbruch an neuem, zur Verfügung gestelltem Kapital stellt vor allem Startups, die regelmäßig Verluste machen und sich momentan mit steigenden Kosten und geringerer Nachfrage konfrontiert sehen, vor große Probleme.

Klassische Maßnahmen stoßen an Grenzen

Da sich die meisten Startups in Finanzierungsrunden nur mit Kapital für die nächsten etwa 18 Monate eindecken, wird regelmäßig neues Geld benötigt. Während die Türen der Investoren die letzten Jahre weit offen standen und Finanzierungsrunden zu steigenden Bewertungen die Regel schienen, ist dies nun ungleich schwerer geworden. Unternehmen sehen sich mittlerweile gezwungen, entweder Finanzierungsrunden zu schlechten Konditionen durchzuführen und/oder schnell Kosten zu senken, um länger mit dem verfügbaren Geld auszukommen. Der schwedische Zahlungsanbieter Klarna galt zum Beispiel lange mit einer Bewertung von 45,6 Mrd.$ als wertvollstes Startup Europas, musste aber in der letzten Finanzierungsrunde eine Bewertung von nur noch 6,7 Mrd.$ akzeptieren (-85 %), um an 800 Mio.$ frisches Geld zu kommen.

Typische Möglichkeiten, um Kosten zu senken, sind vor allem Entlassungen von Mitarbeitern und Einsparungen in Marketingbereich. Und genau diese Nachrichten liest man nun fast täglich. Für Unternehmen, deren Wachstum stärker abgeflacht ist als ursprünglich erwartet, sind solche Maßnahmen manchmal unumgänglich. Wächst das Unternehmen aber weiterhin stark, kann es schmerzhaft sein, diese Entwicklung durch Kostenreduktionen zu behindern. Für Unternehmen stellt sich daher die Frage, ob es nicht vielleicht jenseits von Venture Capital und massiven Kostensenkungsprogrammen noch andere Möglichkeiten gibt, um die Durststrecke zu überwinden.

Alternativen in Sicht

Banken sind häufig nicht bereit, Kredite an Startups zu vergeben. Diese erzielen häufig noch keine Gewinne und bieten keine ausreichenden Sicherheiten. Startups, die bereits relevante Umsätze generieren, sollten alternativ die Aufnahme von Venture Debt in Betracht ziehen. Dabei handelt es sich um schnell ausgezahltes Fremdkapital, welches aufgrund des hohen Ausfallrisikos mit hohen Zinsen vergütet wird. In den USA ist diese Form der Finanzierung bereits sehr verbreitet. In Deutschland ist sie dank KfW und Silicon Valley Bank aber auch im Kommen.

Für Startups eignet sich häufig auch die Aufnahme von Mezzanine-Kapital, z. B. in Form von stillen Beteiligungen oder Wandelanleihen. Diese Finanzierungsform weist Eigenschaften von Fremd- und Eigenkapital auf und kann individuell auf das Unternehmen angepasst werden. Es handelt meistens um langfristiges, nachrangiges Kapital, welches am Ende der Laufzeit zurückgezahlt werden muss. Max Köhler-Karstens von der NEOMA GmbH hat die letzten Monate zum Beispiel intensiv mit dem Startup Parknotruf zusammengearbeitet und ihm eine Wachstumsfinanzierung in Höhe von 350.000 € gesichert. Dabei handelt es sich um eine stille Beteiligung, die als „Eigenkapitalähnliche Mittel“ verbucht wird, und durch die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Schleswig-Holstein (MBG) zur Verfügung gestellt wurde. Ähnliche Möglichkeiten bestehen auch in anderen Bundesländern wie in Berlin, Bayern oder Nordrhein-Westfalen

Vorteilhaft ist, dass bis auf geringe Reporting-Auflagen keine Kontrolle oder Anteile abgegeben werden. Die meisten Programme funktionieren ähnlich wie ein endfälliges Darlehen, das nach 10 Jahren zurückgeführt werden muss. Dafür fällt ein fixer Zinssatz von 6 % bis 8 % und eine kleine erfolgsabhängige Vergütung an. Ein Nachteil von stillen Beteiligungen ist, dass hierbei lediglich Kapitalmaßnahmen im 6 bis niedrigen 7-stelligen Bereich durchgeführt werden können. Ein weiterer Vorteil liegt zudem darin, dass stille Beteiligungen die Eigenkapitalquote erhöhen, sodass viele Startups dadurch „bankable“ werden und erstmals - zusätzlich zu der stillen Beteiligung - klassisches Fremdkapital aufnehmen können, beispielsweise zur Finanzierung des Working Capitals.

Verkauf von Anteilen

Was kann sonst noch unternommen werden, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern, falls sich die eben aufgezeigten Möglichkeiten als nicht passend erweisen? Ein weiterer Weg könnte auch der Verkauf von Anteilen oder des gesamten Unternehmens darstellen. Strategische Käufer könnten für neuen Cashflow sorgen und von Synergien profitieren. Häufig bleibt das bisherige Management an Bord und wird durch Anteile oder erfolgsabhängige Boni incentiviert. Um den richtigen Käufer mit entsprechender Zahlungsbereitschaft zu finden, sollte ein solcher Prozess frühzeitig und nicht erst kurz vor drohender Zahlungsfähigkeit in die Wege geleitet werden. 

Fazit

Für viele Startups brechen schwere Zeiten an. Die Unternehmenslenker sollten sich neben potenziellen Kostenmaßnahmen auch frühzeitig mit alternativen Finanzierungsformen auseinandersetzen oder gar die Option eines Verkaufs in Betracht ziehen, bevor es zu spät ist. Häufig kann der richtige Weg auch aus einer Kombination der Maßnahmen bestehen. Es ist auf jeden Fall unabdinglich, sich rechtzeitig mit diesem Thema auseinanderzusetzen, um nicht den Fortbestand des eigenen Unternehmens zu gefährden.

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